»O, was ist seliger als wenn, der Pein ledig, der Geist die Bürden ablegt und wir dann, müde von ferner Fahrt, zum eigenen Herd zurückkehren ...« Catull, 1. Jahrhundert v. Chr.
Nach dem Aufbruch, der Fahrt und der Umkehr ist die Heimkehr (altgriechisch nostoi, siehe Kehr) die vorletzte Stufe der Reise vor der Wiedereingliederung.
In den 1970er Jahren waren in der Individualreiseszene reiseerfahrene Persönlichkeiten, kommerzielle Interessen, das Bedürfnis nach Begegnungen, die Notwendigkeit von Wissensvermittlung kaum zu trennen. Aus informellen Kontakten, Treffen und Freundeskreisen entstanden Clubs, Ausrüster-Versandhandel und Buchpublikationen, alles anfangs sehr persönlich und individualistisch, siehe Die Kinder von Torremolinos auf der Magical Mystery Tour.
Che Guevara
beschrieb nach seiner Reise die Rückkehr in die Heimat als Tod und Wiedergeburt und meinte »Ich bin nicht Ich«. Das Problem entsteht, weil Heimgekehrte und Zurückgebliebene sich in mancher Hinsicht nicht mehr verstehen. Der Reisende erzählt und die Zuhörer stülpen ein Stereotyp darüber, gegen das der Erzähler sich vergebens wehrt. Also sucht er Menschen, die ihn verstehen, findet zu Fernreisemobil- und Globetrottertreffen oder sucht Gleichgesinnte im Club. So lange er nicht unterwegs sein kann, sind »Globetrottertreffen die zweitschönste Art unterwegs zu sein« meint Günther Schumacher-Loose
und so lange ist der Club ein Hafen fürs Fernweh. In Treffen und Clubs bildet sich eine Reiseszene kulturell aus. Treffen lassen sich als tiefe Wurzeln dieser Szene verstehen. Vereine, Kleinverlage, Ausrüster, Zeitschriften beziehen daraus ihre Kraft und bilden die Blüten der Szene.
Die Deutsche Zentrale für Globetrotter dzg e.V. war 1974 der erste Club dieser Art weithin, über den deutschsprachigen Raum hinaus und bildete ein Sammelbecken für die meisten Autoren, Verleger, Ausrüster dieser Zeit. Man war anders und drückte das mit dem Begriff Globetrotter aus, den auch der englische Globetrotters’ Club verwendete. Die meisten späteren Club-Gründungen kamen und gingen, überlebt hat auch der 1984 von Sahara-Willy Janssen
gegründete Sahara-Club. Das Bedürfnis zu einer gleichartigen Gemeinschaft zu gehören und sich auszutauschen ist die Energiezelle eines Vereins. Leidenschaftlich Reisende fühlen sich einerseits meist allein, andererseits haben sie ein immenses Know-How gesammelt. Weil sich jedoch das Reisen über die Zeitläufte hinweg wandelt, muss sich auch ein Club wandeln. Das kann schwierig sein, weil alte Mitglieder nicht so wandlungsfähig sind. Ein lebendiger Verein benötigt daher ein traditionelles Standbein für die treuen Langzeitmitglieder und ein attraktives für die nachwachsenden potentiellen Neu-Mitglieder. Dieses Bewahren und Erneuern in ein gesundes Gleichgewicht zu bringen erfordert ein professionelles Management durch den Vorstand.
Während bei den Treffen rituell eine Art Selbstvergewisserung hergestellt wird und man erfreut feststellt, nicht alleine zu sein, haben Vereine weitreichendere Möglichkeiten. Vereine sind mehr als ein Treffen, sie gelten als Körperschaft des öffentlichen Lebens und damit als Sprachrohr ihrer Mitglieder. Außerdem sind sie jederzeit ansprechbar, können Projekte entwerfen und ihre Mitglieder für neue Ziele begeistern, verfügen also über weitreichende Ressourcen. Auf der Schattenseite steht eine Tendenz, den Verein als Freundeskreis zu betrachten, der sich selber genug ist. Dann haben sich Neue einer Messlatte zu stellen. Offenheit und Freiheit müssen gegen innere Widerstände immer neu hergestellt werden. Ich würde mir wünschen, dass sich die Clubs der Reisenden auch institutionell verantworten, also öffentlich Antworten geben auf die Frage: Warum reisen wir?
In der Phase ab den 1990er Jahren schluckten die Großen die Kleinen. Professionalisierung, Marktorientierung und Wachstum vertrugen sich nicht mit erfahrungsbasierter individueller Empfehlung und reduzierter Produktauswahl nach dem Motto »Vom Einfachen das Beste«, siehe Vom Affen zum High-Tech-Tragegestell. So schrumpfte die bunte Vielfalt der Kleinverlage und ihrer Reihen auf wenige Namen; die Vielfalt der Reiseführerziele schrumpfte erheblich. Für die zahlreichen Globetrotter-Ausrüster galt sogar: »Es kann nur einen geben«. Vereine verdanken ihr Überleben dem Engagement von Idealisten und dem Zustrom von Mitgliedern; Wirtschaftsbetriebe überleben, wenn sie erfolgreich sind und die Kunden zu ihnen strömen. Beides erfordert eine komplexe Organisationsform und ein Mindestmaß an Professionalität. Und wer über den gesellschaftlichen Wandel nur redet anstatt sich ihm zu stellen, den bestraft das Leben.
Ebenfalls in den 1990er Jahren verbreitete sich das Internet, dann die sozialen Medien und 2007 das Smartphone. Kommunikation, Begegnung und Austausch verändern sich bis heute. Auf der einen Seite beeinflusst dies das Reisen und die Welterfahrung, auf der anderen Seite verändert sich aber auch das Erzählen über die Welterfahrung nach der Reise. Die Vermittlung von Welt über Medien findet traditionell über Erzählen und über Literatur statt und erzeugt damit Bilder in der Vorstellung. Die besten Geschichten hört man in einer Runde Weitgereister am Lagerfeuer. In den neuen Medien dagegen triumphieren Bilder auch ohne erlebte Geschichten, überleben jedoch auch nur Minuten. Authentisches Erleben und Vertrauen sind zwischenmenschlich belastbarer als Fakenews.
Mit Sicherheit verändern die neuen Medien die Vorstellung vom Reisen und der Welt. Reisende unterscheiden sich jedoch vom größten Teil der Gesellschaft durch ihre Welt-Erfahrung und Welt-Anschauung, sie sind häufig Kosmopoliten. Meist haben sie festgestellt, dass die Welt nicht so ist, wie sie scheint, und dass viele Perspektiven möglich sind. Beim unvermittelten Aufeinandertreffen von Mensch und Welt beim Reisen und bei Treffen verlieren die neuen Medien ihre Bedeutung. Und bei den Treffen der Reisenden steht das persönliche Begegnen im Vordergrund.
Willys Fernreisemobiltreffen funktioniert ohne Verein und ohne Firma, weil die Teilnahme das Gefühl einer gemeinschaftlichen Verbundenheit verstärkt, obwohl die Vielfalt der Teilnehmer das Verbindende nicht einfach erkennen lässt. Zwei Voraussetzungen sind dafür wesentlich: Offenheit und Freiheit.
Die Teilnehmer wertschätzen das Treffen. Und das Treffen wertschätzt seine Teilnehmer, weil sie sich hier wohlfühlen. Von vielen wird dieser Zustand als »harmonisch« bezeichnet, das Treffen als »kultig«. Dieses Zusammenspiel ist über Jahre gewachsen, und es macht Freude dieses Erbe von Willy Janssen zu bewahren und zu pflegen.
Zwar prägen die Fahrzeuge der Teilnehmer das Treffen, aber eben auch deren Individualität und Erfahrung. Und wer kein solches Fahrzeug hat, kommt um diese zu sehen oder sich Ideen für ein eigenes Projekt zu holen. Mobil zu sein ist wichtig: Die einen reisen auf Rädern, die anderen wagen das Leben im Fahrzeug, die dritten pflegen den Oldtimer oder das Expeditionsmobil als Hobby. Und das eine schließt das andere nicht aus.
Die Teilnehmer des Treffens werden weder als Mitglied gebunden noch als umsatzgenerierende Kunden beworben. Die Anziehungskraft des Treffens resultiert daher einzig auf dem Wunsch der Teilnehmer nach Begegnung und wir als Organisatoren versuchen professionell und unauffällig den bestmöglichen Rahmen dafür zu schaffen. Wir wünschen uns, dass möglichst jeder das Treffen mit einem Lächeln verlässt und dass wir noch viele Jahre in Enkirch willkommen sein werden. Das eine hängt mit dem anderen unmittelbar zusammen.
Armstrong, Rebecca
Bonifazi, Anna
Hornblower, Simon
, Giulia Biffis
(Hg.)Müller, Lothar
Stockdale, Elizabeth
Steven Reece