Atlantik

Das entfesselte Meer
Die Geschichte des Atlantik
München: Piper 2001
Pappband mit Umschlag & Lesebändchen 14,5 x 22,5 cm
357 Seiten, 26 Farb- & 36 s/w-Abb. im Text. 
umfangreiche Anmerkungen und Personenregister

Nicht umsonst legen die Historiker den Beginn der Neuzeit auf den Tag, als Columbus auf der Bahamas-Insel Guanahani (vermutlich Samana Cay oder San Salvador) landete. Ohne diese (oder eine vergleichbare) Fahrt wäre die folgende Epoche nicht denkbar gewesen. Zum ersten Mal entdeckte die »Alte Welt« eine »Neue Welt«. Hier begann der Prozess der Globalisierung, deren Schlußphase wir heute erleben.

Heute leben wir in einer neo-europäischen Welt mit der Weltsprache Englisch (der Sprache der Angeln & Sachsen), der Weltwährung Dollar (abgeleitet vom Taler) und einer Welt-Bestseller-Kultur der Filme, Schlager und Bücher. Der jahrzehntausende anhaltende Prozess der kulturellen Differenzierung wurde vor 500 Jahren mit der Überquerung des Atlantik gebremst. Zunächst erhöhte sich das Angebot: Europa erhielt die Kartoffel, die Tomate und die Syphilis; dafür bekam Amerika Schafe, Pferde und Pocken – um nur einige herausragende Beispiele zu nennen. Mit etwas Verzögerung haben jedoch Assimilation, Vernichtung und Überformung die Vielfalt der Kulturen und Sprachen mehr und mehr reduziert. Anders formuliert: Standards und Normen sorgen weltweit für einen reibungslosen Warenfluß bei maximalen Gewinnen.

Und was hat das mit der Entdeckungsgeschichte des Atlantik zu tun? Alles. Vor 1500 war der Atlantik eine angsteinflößende, nicht zu überschreitende Grenze. Europa war der unbedeutende, westliche Rand von Eurasien mit einem blühenden Asien im Osten: ex oriente lux. Nun wurde es zur Drehscheibe des rasend schnell wachsenden transatlantischen Handels. Sir Walter Raleigh schrieb 1618: »Whosoever commands the sea commands the trade, whosoever commands the trade of the world commands the riches of the world and consequently the world itself.«
Bei alldem ist das Buch nicht theoretisch abgehoben. Es schafft eine gut und spannend lesbare Synthese zwischen Reise- & Entdeckungsgeschichte einerseits, Wirtschafts-, Kultur- und Sozialgeschichte andererseits auf einer soliden Datenbasis, denn schließlich ist der Autor Dozent für Neuere Geschichte. Seine privaten Ambitionen gehören der See.

Seltsam fand ich, daß er zur »Verortung der Odyssee« nur Hennigs Buch von 1936 zitiert, wo doch das Problem seit einigen Jahren als gelöst betrachtet werden kann [»Die wirkliche Reise des Odysseus« von Armin Wolf]. Hinweisen möchte ich an dieser Stelle auch auf die kuriose Schrift Dr. Delekats 1) mit dem Untertitel: Die Echtheit der 1873 bekanntgewordenen kanaanäischen (altsidonischen) Inschrift aus Paraíba in Brasilien nachgewiesen.

Vermisst habe ich ein explizites Literaturverzeichnis zusätzlich zu den unübersichtlichen Hinweise in den Anmerkungen. Vermißt habe ich auch ein Register. Der Verlag hat ein gutes Papier gewählt, auf dem die farbigen Abbildungen brillant wirken. Leider sind sie oft zu klein. Die Beschriftung der Karte des Eratosthenes konnte ich nur mit einer Lupe lesen (nein, ich benötige keine Brille). Hin und wieder stolperte ich über grammatikalische Unebenheiten und gewann den Eindruck, daß das Werk nicht sorgsam lektoriert wurde.

Donald S. Johnson
Fata Morgana der Meere
Die verschwundenen Inseln des Atlantiks
Aus dem Amerikanischen von Arnim Menneke
München/Zürich: Diana 1999. Pappband mit Umschlag 20 x 25 cm
255 Seiten, zahlreiche einfache Karten, Anmerkungen, Literaturverzeichnis, Register

Der Autor hat bereits fünf Mal den Atlantik in einem kleinen Schoner überquert. Beim Studium alter Karten fielen ihm Inseln auf, die heute keiner mehr kennt: Die Insel der Dämonen ebenso wie Frisland, Buss oder Antilia. Auf alten Karten haben sich diese Inseln oft jahrhundertelang gehalten und wechselten allenfalls ihre Lage und Größe. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Kartographen orientierten sich an Reiseberichten, die Reiseberichte beruhten auf Wahrnehmungen, Täuschungen (Fata Morgana) und Visionen. Mangelhaft waren dagegen die Messungen, insbesondere der Längengrad konnte bis in die Neuzeit nur geschätzt werden. Spannend, sachkundig und belesen verbindet der Autor die Geschichte nautischer Meßverfahren mit der Entdeckungsgeschichte, Wunschträume und die Tücken tradierter Geschichten. Nur ein Thema bleibt außen vor: Atlantis. Und das ist auch gut so, denn dazu gibt es mehr als genug Bücher.

<html><img src=„https://vg09.met.vgwort.de/na/3b262dde517041c788e8d0475b4c0a6c“ width=„1“ height=„1“ alt=„“> </html>

1)
Phönizier in Amerika. Bonner Biblische Beiträge Nr. 32, Bonn 1969