Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


wiki:reisen_und_geographie

Unterschiede

Hier werden die Unterschiede zwischen zwei Versionen der Seite angezeigt.

Link zu der Vergleichsansicht

Beide Seiten, vorherige ÜberarbeitungVorherige Überarbeitung
wiki:reisen_und_geographie [2025/10/06 06:24] – [Literatur] norbertwiki:reisen_und_geographie [2025/10/06 06:55] (aktuell) – [Reisen als geographische Methode] norbert
Zeile 16: Zeile 16:
 ===== Reisen als geographische Methode ===== ===== Reisen als geographische Methode =====
  
-[[wiki:reisen|Reisen]] wird wissenschaftlich vor allem literarisch untersucht und historisch, zunehmend auch als touristisch-ökonomisches Forschungsfeld, wobei Reisen und Tourismus oft synonym verstanden werden. Zwar sind im Tourismus die Merkmale Entfernung und [[wiki:literaturliste_entdeckungsgeschichte|Entdeckung]] (als dem Begegnen mit der Andersartigkeit von Orten und Kulturen) erhalten geblieben, doch fehlen ihm Risiko und die lange Dauer des Reisens.+[[wiki:reisen|Reisen]] wird wissenschaftlich vor allem literarisch untersucht und historisch, zunehmend auch als touristisch-ökonomisches Forschungsfeld, wobei Reisen und Tourismus oft synonym verstanden werden. Zwar sind im Tourismus die Merkmale Entfernung und [[wiki:literaturliste_entdeckungsgeschichte|Entdeckung]] (als dem Begegnen mit der Andersartigkeit von Orten und Kulturen) erhalten geblieben, doch fehlen ihm Risiko und die lange Dauer des Reisens. Die Definitionen des Tourismus schließen jedoch eine Anzahl von Reiseformen aus (s. Absätze 37--45). Während die Tourismusdefinitionen das Makrosystem ins Auge fassen und auf den Touristen als Figur schließen, analysiert Lecoquierre das Handlungssystem auf der Mikroebene und schließt bottom-up auf die Reiseform.\\ 
  
-Reisen als geographische Methode bleibt weitgehend unbeachtet. Dieser Lücke widmet sich ''Bruno Lecoquierre'' und zitiert ''Roger Brunet'', der in „Les mots de la geography“ Reisen als „den natürlichen Sport der Geographen“ bezeichnete, als eine geografische Aktivität im geografischen [[wiki:liste_raumvorstellungen|Raum]], zugespitzt als existentiellen Augenblick der Konfrontation mit dem Raum. Neutral bezeichnet er Reisen als einen Vektor der Mobilität und eine Modalität der Begegnung mit dem Anderssein.+Reisen als geographische Methode bleibt weitgehend unbeachtet. Dieser Lücke widmet sich ''Bruno Lecoquierre'' und zitiert ''Roger Brunet'', der in „Les mots de la geography“ Reisen als „den natürlichen Sport der Geographen“ bezeichnete, als eine geografische Aktivität im geografischen [[wiki:liste_raumvorstellungen|Raum]], zugespitzt als existentiellen Augenblick der Konfrontation mit dem Raum. Neutral bezeichnet er Reisen als einen Vektor der Mobilität und eine Modalität der Begegnung mit dem Anderssein. Dem Wissenschaftler (etwa Geographen oder Ethnologen) wird sie zur //"le voyage comme modalité méthodologique"//
  
-Dem Wissenschaftler (etwa Geographen oder Ethnologen) wird sie zur //"le voyage comme modalité méthodologique"//''Jean-Jacques Rousseau'' schrieb 1755 (//Discours sur l'Origine ...//es gäbe nur vier Kategorien [[wiki:reisende|Reisender]], die lange Reisen unternehmen: Seeleute, Kaufleute, Soldaten und Missionare. Ein geographisches Paradigma stellt daher die Expedition von ''Alexander  von Humboldt'' und ''Aimé Bonpland'' nach Lateinamerika (1799–1804) dar, die sich nicht mit der Erkundung von Küstenlinien begnügte, sondern systematisch das Innere eines Kontinents untersuchte (siehe das Zitat von Humboldt, 1848).\\  +Für ''Jean-Jacques Rousseau'' gab es 1755 (//Discours sur l'Origine ...//) nur vier Kategorien [[wiki:reisende|Reisender]], die lange Reisen unternehmen: Seeleute, Kaufleute, Soldaten und Missionare. Ein geographisches Paradigma stellt daher die Expedition von ''Alexander  von Humboldt'' und ''Aimé Bonpland'' nach Lateinamerika (1799–1804) dar, die sich nicht mit der Erkundung von Küstenlinien begnügte, sondern systematisch das Innere eines Kontinents untersuchte (siehe das Zitat von Humboldt, 1848, bei Lecoquierre). Besonders charakteristisch erscheint dem Autor die //l’exploration// als Erkundung, für deren Etymologie er auf ''Yves Lacoste'' (2003) verweist, der sie ableitet vom lateinischen //ex prolator//  'se porter en avant vers l’extérieur'
-Aber erst die [[wiki:fortbewegung|Fort-Bewegung]] durch einen unbekannten und damit riskanten [[wiki:zwischenraum|Zwischenraum]] macht das Reisen aus (siehe das Zitat von ''Claudot-Hawad'', 2002) und unterscheidet es vom [[wiki:nomaden|Nomaden]]leben. Weit und lange Reisende erscheinen ihm als Hüter einer sehr alten Tradition der Bewegung, deren Werte auf Isolation, [[wiki:risiko|Risiko]], Unbehagen, zeitlicher Unsicherheit beruhen. ''Levi-Strauss'' zitierend bietet er ein erweitertes Verständnis von Reisen, dass nicht nur den [[wiki:liste_raumvorstellungen|Raum]] (mit drei Dimensionen) betrachtet, sondern die [[wiki:zeit_musse|Zeit]] und die kulturelle Verschiebung als vierte und fünfte Dimension heranzieht, ein [[wiki:unterwegs-sein|Unterwegs-Sein]]. Schließlich betont er die Rückkehr als notwendige Phase des Unterwegs-Seins und als Unterschied zum [[wiki:heimatlos|Migranten]]. Besonders charakteristisch erscheint dem Autor die //l’exploration// als Erkundung, für deren Etymologie er auf ''Yves Lacoste'' (2003) verweist, der sie ableitet vom lateinischen //ex prolator// 'se porter en avant vers l’extérieur'.\\  + 
-Unterschiedliche Vorstellungen von der Bewegung durch den Raum unterscheiden die [[wiki:liste_reisende_im_sprachvergleich|Reisefiguren]]: der [[wiki:passagier|Passagier]] definiert ein Ziel und sucht den effektivsten Weg dorthin, der Reisende geht den [[wiki:weg|Weg]], den er findet (Zitat ''Marc Augé'' 1992).\\  +Erst die [[wiki:fortbewegung|Fort-Bewegung]] durch einen unbekannten und damit risikobehafteten [[wiki:zwischenraum|Zwischenraum]] macht das Reisen wesentlich aus (siehe das Zitat von ''Claudot-Hawad'', 2002) und unterscheidet es vom [[wiki:nomaden|Nomaden]]leben. Weit und lange Reisende erscheinen ihm als Hüter einer sehr alten Tradition der Bewegung, deren Werte auf Isolation, [[wiki:risiko|Risiko]], Unbehagen, zeitlicher Unsicherheit beruhen. ''Levi-Strauss'' zitierend bietet er ein erweitertes Verständnis von Reisen, dass nicht nur den [[wiki:liste_raumvorstellungen|Raum]] (mit drei Dimensionen) betrachtet, sondern die [[wiki:zeit_musse|Zeit]] und die kulturelle Verschiebung als vierte und fünfte Dimension heranzieht, ein [[wiki:unterwegs-sein|Unterwegs-Sein]]. Schließlich betont er die Rückkehr als notwendige Phase des Unterwegs-Seins und als Unterschied zum [[wiki:heimatlos|Migranten]]. Dieses Verständnis deckt sich weitgehend mit dem Verständnis des Reisens als [[soziotechnisches_handlungssystem|soziotechnischem Handlungssystem]]
-Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal liegt in der Art und Weise, wie der Reisende ankommt, wie sich das Gleichgewicht zwischen Akkomodation und Assimilation einstellt. Einen Ort zu bewohnen, setzt eine physische Begegnung voraus und einen damit einsetzenden Lernprozess, führt also auch Veränderung auch des Reisenden (MIT : "Mobilités, itinéraires, territoires", Université Paris 2002) im Unterschied zur Taylorisierung touristischer Riten und der Disneylandisierung.\\  + 
-Reisen ist ein geographisches [[wiki:soziotechnisches_handlungssystem|Handlungssystem]]. Die Definitionen des Tourismus schließen jedoch eine Anzahl von Reiseformen aus (s. Absätze 37--45). Das liegt jedoch auch daran, dass der Autor das Handlungssystem auf der Mikroebene analysiert und bottom-up auf den Tourismus schließt, während die Tourismusdefinitionen das Makrosystem ins Auge fassen.\\ +Verschiedene [[wiki:liste_reisende_im_sprachvergleich|Reisefiguren]] haben Unterschiedliche Vorstellungen von der Bewegung durch den Raum: der [[wiki:passagier|Passagier]] definiert ein Ziel und sucht den effektivsten Weg dorthin, der Reisende geht den [[wiki:weg|Weg]], den er findet (Zitat ''Marc Augé'' 1992). 
 + 
 +Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal liegt in der Art und Weise, wie sich beim Ankommen das Gleichgewicht zwischen Akkomodation und Assimilation einstellt. Die physische Begegnung zwischen Reisenden und Bewohnern löst einen Lernprozess aus, führt also zur Veränderung auch des Reisenden (siehe MIT : "Mobilités, itinéraires, territoires", Université Paris 2002). Auch dies ungterscheidet sich von der Taylorisierung touristischer Riten und der Disneylandisierung beim Ankommen des Touristen.\\ 
 Dem entsprechend betrachtet der Autor das Reisen als "interface de situation" und betont dabei die Priorität von Differenzierung und Austausch bei drei Arten von Schnittstellen (Abs. 47-48):\\  Dem entsprechend betrachtet der Autor das Reisen als "interface de situation" und betont dabei die Priorität von Differenzierung und Austausch bei drei Arten von Schnittstellen (Abs. 47-48):\\ 
 -- « interfaces qui ménagent l’altérité » > Alltag im Nicht-Alltäglichen\\  -- « interfaces qui ménagent l’altérité » > Alltag im Nicht-Alltäglichen\\ 
wiki/reisen_und_geographie.txt · Zuletzt geändert: von norbert

Donate Powered by PHP Valid HTML5 Valid CSS Driven by DokuWiki