Unter Waldreise verstand man im Mittelhochdeutschen eine zum Kampf gerüstete Fahrt in den Wald 1). Dies findet sich vergleichbar bereits im ältesten Epos der Menschheit, als Gilgamesch
und Enkidu
eine Heldentat planen, indem sie Ḫumbaba
, den Hüter von Ištars
Zedernwald, töten, und dort Zedern fällen mit denen sie ein Schiff für ihre Reise bauen wollen. Darin sind typische Motive von Waldbewohnern enthalten, alle jenseits von romantischer Waldeinsamkeit:
Der Geschichtsschreiber Thietmar von Merseburg
(975/976–1018) bezeichnete das Waldgelände an der Maas als Miriquidi, Mircwidu, abgeleitet vom germanischen germanischen *merkwaz `dunkler Wald´, wobei merk nicht nur `dunkel´ (wie in: merkwürdig) sondern auch im Sinne von `böse´ aufgefasst wurde. Als Miriquidi wurde aber auch 974 der böhmische Wald zwischen Saale und Mulde bezeichnet. Im Mittelalter galten solche Wälder als Zwischenraum (Scheide, Grenze) von Siedlungsräumen.
Ekaterina Bespalova
Classen, Albrecht
Martin Eggers
Marcus Termeer
Uhlig, Lothar
Waldmenschen (Waldwohner, lat. silvestres homines, sylvicola, sylvicultrix) wohnen und bewegen sich im Wald, weil sie ihren Lebensmittelpunkt mitsamt Familie an die Verhältnisse des Waldes angepasst haben. In waldgewerblichen Siedlungen finden sich: Bergleute, Flößer, Glasmacher, Harzer, Hirten, Holzhauer, Jäger, Köhler, Pech- und Pottaschsieder, Schindelmacher, Schmiede 3).
Leppin, Georg
Bildteppiche des 15. Jahrhunderts zeigen Waldbewohner, die friedlich im Wald wohnten, als Jäger und Bauern. »Itinerant craftsmen« verhütten Eisen, schlagen Holz, stellen Holzkohle her und folgen den Rohstoffvorkommen durch die Wildnis.
Schäufelein, Hans Leonhard
Hans Schäuffelein
, der eine Familie mit zwei Kindern und einem Hund zeigt, mit 122 Versen von Hans Sachs
: »ACH Gott wie ist verderbt all Welt/ Wie starck leyt die Untrew zu feldt …«Wörner, Ulrike
: 2010. Die Dame im Spiel: Spielkarten als Indikatoren des Wandels von Geschlechterbildern und Geschlechterverhältnissen an der Schwelle zur Frühen Neuzeit. (=Diss. Univ. Regensburg, 2009. ) 458 S. Münster: Waxmann.Leif Einarson
Callmer, Johan
Waldmenschen galten als suspekte Waldgesellen, selbst wenn man auf ihre Produkte angewiesen war: »da unsre eigenen vorfahren wenig besser als rohe waldmenschen, räuber und abenteurer waren.« 6). Mindestens war der Waldmann »ein von der Kultur wenig berührter Mensch« 7). Am Waldmannstag, dem 28. Dezember, an dem »die alten aus furcht vor dem wilden jäger nicht in den wald gingen« 8).
Der Wald außerhalb des befriedeten Raumes (heute spricht man von geschlossenen Ortschaften) galt als rechtsfreier Raum solange er Wildnis war. Allenfalls war er Zwischenraum zwischen befriedeten Räumen. Dort lebten Menschen außerhalb der Gemeinschaft, insbesondere wenn sie selbst in der Wildnis nicht sesshaft sondern unterwegs waren. Sie waren Kundige in der Wildnis, während das Fahrende Volk zwar Kundige im Zwischenraum waren, jedoch auf die Gemeinschaft angewiesen blieben. Waldberufe wurden mobil, wenn sie ihre Rohstoffe verbraucht hatten:
Die baltischen und russischen Wörter für jagen (Jagd) leiten sich von Wald ab 10).
Vom Wald und der Jagd lebten auch Waldläufer und Waldgänger. Nach der Völkerwanderungszeit wurden die Holz-und Jagdrechte in der Wildnis durch Herrschaften beansprucht, also gab es fortan
Thomas Strauch
Summa, Hermann
Leppin, Georg
Clemens Dasler
Waldbruder (auch Waldtreter) im Unterschied zu Klosterbruder nannte man ab dem 14. Jahrhundert die Einsiedler, Eremiten, Klausner, Anachoreten, denn das Leben im Kloster ist ein Rückzug aus dem öffentlichen Leben, das Leben im Wald ist ein Rückzug aus der klösterlichen Gemeinschaft in die einsame Waldklause: »jeder einsiedler, der in seiner waldklause wurzeln asz, sich geiszelte und die herrlichkeit dieser welt verachtete.« 11)
Nicht nur im christlichen Mittelalter kannte man das Ideal eines asketisch lebenden Waldmönches. Auch in den indischen Religionen steht der Waldeinsiedler (Vānaprastha) als Lebensform vor dem Wandermönch Dandin.
Dieses Leben impliziert, dass die Einsamkeit und die Askese in Wildnis und Wald der inneren Einkehr förderlich seien.
»fern aus aller menschlichen gesellschaft floh der landräumige verbrecher (rûmelant) in wald und einöde, das alterthum nannte darum den härtesten grad der verbannung waldgang ags. vealdgenge altn. skôgângr und den exsul, extorris waldmann« 12). Im alten germanischen Recht wurden schwere Verbrechen mit dem Verstoß aus der Gemeinschaft in den Wald bestraft, der Outlaw war vogelfrei und traf dort auf Menschen, die wie Wölfe lebten, den Vargr oder Waldgänger.
Ernst Jünger
Rainer Barbey
Dieter Strauch
Der Wald ist nicht geheuer sondern obskur. Die dort lebenden Waldmenschen müssen also auch nicht ganz geheuer sein sondern sind waldwild. Die Ängste nehmen in den Vorstellungen vom Wilden Mann und Wilden Jäger Gestalt an. Dieselbe Ambivalenz zeigt sich in den Namen der Waldgeister:
So etwa im schillernden Begriff des Waldschrats (auch Waldschrecken, Waldspringer) 13):
Dukova, U.
(Grüne) Moosweibchen, Waldweiber oder Waldfräulein können hilfreich sein oder verführerisch: »des Erzgebirges tiefsten wald / bewohnt seit grauer zeit ein geist / in zwergenhafter weibsgestalt, /den männiglich das waldweib heiszt« 15), auch Lohjungfern, Rüttelfrauen, Holzweibel, Waldnymphen (dryades, napeae), Waltminna. In der germanischen Götterwelt war Holda (Frau Holle im Märchen) als Göttin der Fruchtbarkeit ideenverwandt.
Der tierverwandte Waldgeist (Satyr, Faun) erscheint menschenähnlich, kann aber riesenhaft sein oder eine Zwergengestalt haben und kann die Gestalt wechseln, also als Tier oder Pflanze erscheinen:
Schwarz, Gabriele
, Erich Obst
, Josef Schmithüsen
: Die ländlichen Siedlungen, die zwischen Land und Stadt stehenden Siedlungen.Lamprecht, Karl
Jockenhövel, Albrecht
Eckert, R.