Fährmann
Ein Fährmann ist dem Reisenden ein Helfer im Zwischenraum wie auch ein Begleiter, Dolmetscher, Führer, Kundiger, Steuermann, Träger, Wächter.
Die Fähre als Wasserfahrzeug und die Fährfahrt sind gekennzeichnet durch
- Die Verwendung zum Transport von Menschen und Gütern.
- Den Ruf ans andere Ufer »Hol über, Hol över«.
Daraus entstanden die Rufe Holla und Hallo 1). - Den Fährlohn: Charonspfennig, lat. Obolus, gr. ὀβολός, Penny for the Ferryman.
Ein Nachen kann ebenso als Fähre dienen wie ein Ponton, der an einem Seil oder einer Kette fixiert ist und zum anderen Ufer gezogen wird oder Gierfähren 'Fliegende Brücken'.
Der Ferge wird erst seit dem 17. Jahrhundert zunehmend Fährmann genannt 2), abgeleitet von fergen 3) als `etwas von Ort zu Ort bringen´: »springe in den Nachen des Fergen« 4) und übertragen auf das ‘Schiff zur Überfahrt’ germ. *far-jōn. Zuerst gab es den Fergen, dann das Wasserfahrzeug, zuletzt die Brücke.
Dem Fergen voraus ging der durch das Wasser watende Träger wie er sich in der Figur des Heiligen Christophorus erhalten hat. Das andere Ufer gilt als fremdartig, nur der Fährmann ist auf beiden Seiten zuhause. Die Figur des Fährmanns und das Übersetzen aufs andere Ufer wurden bereits im dritten Jahrtausend BC symbolisch übertragen auf die Fahrt in die Unterwelt, ins Reich der Toten. Der Fährmann hat dabei dieselbe Funktion wie ein Wächter am Tor. Dieser lehnt die Passage zunächst ab, dann stellt er Fragen und erwartet schließlich Lohn:
Ur-šanabi
5) bringt im Gilgamesch-Epos den König über die Wasser des Todes.Fink, S.
Gilgameš und Uršanabi.
Revue d'assyriologie et d'archéologie orientale, 108 (2014) 67-69. DOI
Mahaf
bringt in der ägyptischen Mythologie die Verstorbenen ins Totenreich Duat.Charon
bringt in der griechischen Mythologie die Verstorbenen über den Acheron/Styx in den Hades.Harbard
soll in der germanischen Mythologie Thor über das Wasser bringen, weigert sich jedoch. Im Nibelungenlied erschlägt Hagen den (namenlosen) Fährmann, weil dieser ihn nicht über die Donau bringen will. Dasselbe Schicksal ereiltWade
(siehe Christophorus).- Die Bibel kennt den Fährmann nicht und auch die slawische und keltische Mythologie benennen ihn nicht.
Die 'Fähre' im Sprachenvergleich:
- ferry-boat > ferry (engl., franz., niederl., port.), ferge (norw.), färja (schwed.), feribot (türk.)
- trajekt (kroat., tschech.) traghetto (ital.)
- transbordador (span.)
- bac (rumän., franz.) ausgehöhltes, rundes Gefäß 6)
- πορθμείο (griech.)
- пором (ukrain.) паром (russ.) prom (poln.), aus urslawisch *perti 'durchdringen', ins Deutsche als Prahm(e)
Literatur
Ágnes Alföldy-Găzdac
,Cristian Găzdac
„Who Pays the Ferryman?‘: The Testimony of Ancient Sources on the Myth of Charon.
Klio 95 (2013) 285–314. DOI . Werke von 55 antiken Autoren vom 6. Jahrhundert v. Chr. bis zum 6. Jahrhundert n. Chr. werden hinsichtlich der Figur des Charon und dessen Funktionen analysiert.Frank David
Übersetztechnik. Brücken, Fähren, Schwimmwagen
(=Reihe militärtechnische Hefte) 32 S. zahlr. Ill. Berlin 1986: Militärverlag der DDR.Detlev Ellmers
,Willi Zimmermann
Die Heilbronner Einbaum-Fähre.
(=Heilbronner Museumsheft, 12) 56 S. Heilbronn 1987.
Mit der C-14- Methode wurde der 1953 in der Neckartalaue gefundene Einbaum auf etwa 1250–1420 n. Chr. Datiert und wird hier als Schwimmkörper einer kleineren Fähre interpretiert.Roland Girtler
Allerhand Leute : Rinderzüchterin, Prinz, Bordellbesitzer, Philharmoniker, Landarzt, Wirtshausmusiker, Fährmann.
225 S. Wien 2016: BöhlauAllan Howard
The ferryman archetype.
VI, 142 S. Dissertation: California State University, Dominguez Hills 2011. OnlineJohann Gottfried von Hoyer
Handbuch der Pontonnier-Wissenschaften in Absicht ihrer Anwendung zum Feldgebrauch
2 Bände: XL, 570; XIII, 464 S. 2. verm. A. Leipzig 1830: Barth.Lars Kröger
Fähren an Main und Neckar : eine archäologische und historisch-geographische Entwicklungsanalyse mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Verkehrsinfrastruktur
Dissertation an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. (=Monographien des Römisch-Germanischen Zentralmuseums, 160) X, 292 S. Bibliogr. S. 262–290. Mainz, Heidelberg 2022: Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Propylaeum. DOI
Der Autor analysiert 121 im Arbeitsgebiet gefundene Einbäume. Dies waren meist Teil komplexerer Fährkonstruktionen. 241 Flussübergänge sind hier bekannt und verbunden mit Rechten und Pflichten zwischen Lehnsherren, Fährleuten und Fahrgäste. Furten waren an den schiffbaren Abschnitten der Flüsse bedeutungslos.Schafer, Joseph
Ferries and Ferryboats.
The Wisconsin Magazine of History, 21.4 (1938) 432–456. Online- P.
Thomas Schwickert
Die Christoporuslegende und die Überfahrtssagen.
Zeitschrift für Volkskunde N.F.3=41.1931 S. 14–25 Online Selz, Gebhard J.
Den Fährmann bezahlen! Eine lexikalisch-kulturhistorische Skizze zu den Bedeutungen von addir.
Altorientalische Forschungen, 22.2 (1995) 197-209. DOISouth, Capt.
A List of All the Seamen, Fishermen, Water Men, Lightermen, Gabbardmen, Kielmen, Bargemen, Boatmen, Ferrymen, Cottmen, and Seafa Ringmen, of What Kind Soever, in the Kingdom of Ireland, … Made in 1697.
Communicated by Capt. South. Philosophical Transactions, 22 (1700) 519Karl Spiegel
Die Überfahrtssagen am Main. Ein Beitrag zu den Vorstellungen vom Seelenlande.
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Nachtrag zu den Überfahrtssagen am Main.
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Fluss-Fähren in der Schweiz. Eine technikgeschichtliche Übersicht.
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