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Liste von Bezeichnungen für Fahrende Händler

Über Fahrende Händler und deren Handel ist wenig bekannt, doch erschließt sich deren Wirken indirekt aus archäologisch aufgefundenen und datierbaren Produkten wie etwa Feuerstein, Obsidian, Muschelschalen, Bernstein, Glas, aus deren Verteilung auch Feuersteinstraßen und Bernsteinstraßen darstellbar sind. Händler waren nicht anders als fahrend vorstellbar, bevor es regionalen Handel mit dem Umland gab, also städtische Zentren. Für die Obrigkeit gehörten sie zum »Gewerbe im Umherziehen«.

Fahrende (Fliegende) Händler (engl. itinerant merchants, merchant adventurer; frz. marchand itinérant) sind Kundige des Zwischenraums und in manchen Verordnungen der frühen Neuzeit neben Reiseläufern manchmal die einzigen Reisenden, die eine Waffe tragen durften. Grundsätzlich aber waren sie als Gruppe nicht vom misstrausch beäugten Fahrenden Volk zu unterscheiden. Leo Wiener sieht einen fließenden Übergang der Bewertungen in den Begriffen, so kann Cursorius ein umherziehender Händler sein aber auch ein Plünderer oder Korsar. Das ist plausibel, weil man Wertgegenstände nicht essen kann, also geraubtes Gut irgend jemandem verkaufen muss, also als Plünderer auch zum Händler wird. Stellt sich das Gut als Plunder heraus, ist der Fahrende Händler nicht mehr greifbar. Das negative Image fahrender Händler ist bereits in der Bibel vielfach belegt 1).

  • 1477, 1492: Achim von Veltheims Überfälle reisender Kaufleute auf offener Landstraße und Verbringung ihrer Güter nach Harpke 2)
  • 1577 »Newe Zeitung:| Von Sechs | Mordbrennern/ Wie sie in | Kramers gestalt gezogen/ vnd ei=|ner ein Fuhrman/ mit zweyen Pferden | vnd eim Wagen/ auch einen Kasten/ dar=|innen jr vier/ mit Gesch#[ue]tz vnd Gewehr | gelegen/ Auch der eine sich f#[ue]r ein Kramer | außgeben/ vnd bey dem Wagen hergan=|gen/ viel Mordt vnd Brandt begangen.| Letzlich aber durch schickung Gottes of=|fenbar worden/ in einer M#[ue]hl/ zum | newen Hauß genandt/ ein Meil | von Rauenspurg gut.« 3)

Bezeichnungen in Europa

  • Arilator (lat.)
    „Arilator, qui etiam Cocio appellatur“ (Festus), griechisch Metabolos
    • Martino, Paolo
      Il nome Etrusco di Atlante.
      (=Biblioteca di ricerche linguistiche e filologiche, 19 ) 52 S., Roma 1987: Dipartimento di Studi Glotto antropologici dell'Università di Roma „La Sapienza.
      Mit dem Kapitel „Latino arillator 'intermediario' e 'sensale“, abgeleitet aus etruskischen und phönizischen Wurzeln.
    • Balbach, Christian Carl
      Observationes criticae in locos quosdam Plautinos.
      Diss. VIII, 59 S. Erlangae 1822: Junge.
      Darin ausführlich Quellen und Varianten von cocio und arilator, S. 7-11
  • Cocio, coccio (lat.)
    ital. cozzone, frz. coquin, engl corser, dt. tuyscher siehe Leo Wiener
    • Georges: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, 8. Aufl. (1913):
      cōcio, coctio.
    • Lewis & Short: A latin dictionary (1879):
      cocio cōcĭo or cōtĭo > cf. cunctor, a broker, factor.
    • Gaffiot: Dictionnaire latin-français (2016, ex 1934):
      cocio cōcĭō, cōtĭō, coctĭō, > courtier, colporteur.
    • Дворецкий И.Х.: Отличный латинско-русский словарь (1976):
      cocio cocio > маклер, торговый посредник, перекупщик.
    • DuCange: Glossarium mediae et infimae latinitatis (1883-7):
      cocio, Cocionatura. Vide in Cociones.
  • Cursorius (lat.) 1067
  • Entrepreneur (frz.)
  • ἔμποροι Emporoi oder ναύκληροι
    • s. Kapitel 9. 1. Kaufleute im Indienhandel, S. 61 ff. in: Julia Hansemann-Wenske
      Ἐμπόρια. Eine wirtschafts- und kulturhistorische Studie zu den Handelsbeziehungen zwischen dem Imperium Romanum und Indien (1. - 3. Jahrhundert n. Chr.) Diss. Universität Kassel 2012. Online
    • Drexhage, H.-J. Einige Bemerkungen zu den ἔμποροι [emporoi ] und κάπηλα [kapeloi ] im römischen Ägypten (1.-3. Jh. n. Chr. ), Münstersche Beiträge zur Antiken Handelsgeschichte MBAH 10.2 (1991) 28-
  • Hausierer & Hausierwesen
  • Hawker, pedlar (engl.)
  • Höker 1231
    4), engl. Hawker, schwed. Hökare; vermutlich abgeleitet aus Hucke und Hocke als Tragehilfen 5).
  • MarktbeschützerMerkur
  • Mango (aus lat. ma[n]g[o]narius, -nanus) in vielen Schreibarten:
    in der Antike ein Sklavenhändler, später ein Pferdehändler und schließlich ein wandernder Kaltschmied (frz. chaudronnier, calderarii (gallodromi), engl. tinkerer) insbesondere in den Ländern im Einzugsbereichs des Rheins.
  • Marketender (engl. sutler, victualer aus nl. zoetelaar; frz. la Vivandière; span. Cantinera; russ. markitantki; lat. mercatores, lixae)
    Der Begriff hat eine italienische Wurzel und erscheint im deutschsprachigen Raum erstmals im 12. Jahrhundert. Er bezeichnet eine Person mit Fuhrwerk, der ein Angebot für die persönlichen Bedürfnisse der Soldaten hat. Insbesondere Söldner waren darauf angewiesen, da sie ihre eigene Ausrüstung stellen mussten.
    • Redlich, Fritz
      Der Marketender. Vierteljahrschrift Für Sozial- Und Wirtschaftsgeschichte, 41.3 (1954) 227–52. Online
    • Cardoza, Thomas
      Intrepid Women: Cantinières and Vivandières of the French Army.
      XIV, 295 S. S. Bloomington, IN 2010: Indiana University Press. Inhalt Rezension
    • Baatz, Dietwulf
      Zur Frage augusteischer canabae legionis. Germania: Anzeiger der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts (1964) 260-265.
      Hier zu den mercatores, lixae zu römischer Zeit, die außerhalb der Truppenlager in den vorgelagerten canabae legionis siedelten.
  • Mediator (lat.) 1199 > Intermediator
  • Negotiatores, Negotiantes
  • (Ross)täuscher (peert-tuysscher)
    aus mittelhochdeutsch tiuschære (tiuscher) > Täuscher, Betrüger, Händler bei unbekannter Etymologie.
  • Tabulett(en)krämer
    auch: Kästner, vergleichbar: Höker, Korbträger und Gängler, Schürger, Wendler. Der Tabulettenkrämer ist nach seinem Bauchladen benannt wie der Höker nach seiner Hocke und erscheint synonym in den Quellen auch als Knapsack, dann also mit Rucksack.
  • Broekaert, Wim
    Navicularii et Negotiantes. A Prosopographical Study of Roman Merchants and Shippers.
    zugl.: Gent, Univ., Diss., 2010. Rahden, Westf.2013: Marie Leidorf (Pharos, 28).
  • Canale, Michel Giuseppe
    Storia del Commercio dei viaggi, delle scoperte e carta nautiche degl'Italiani
    Genova 1886: Tipografia sociale. VIII, 495 S. Online
  • Carus-Wilson, E. M.
    Medieval Merchants Venturers. (Collected Studies)
    XXXVI, 314 S., London : Methuen, 1954, 1967.
    Der Schwerpunkt liegt auf britischem Handel, u.a.: overseas trade of Bristol in the Fifteenth century; The Iceland venture.
  • Gassert, M.
    Kulturtransfer durch Fernhandelskaufleute. Stadt, Region und Fernhandel in der europäischen Geschichte. Eine wirtschaftshistorische Untersuchung der Beziehungen zwischen wirtschaftlichen Vorgängen und kulturellen Entwicklungen anhand von Karten, 12. bis 16. Jahrhundert.
    377 S. Frankfurt a. M. 2001: Lang. Inhalt
  • Stefania Gialdroni, Albrecht Cordes, Serge Dauchy, Dave De ruysscher, Heikki Pihlajamäki (Hg.)
    Migrating Words, Migrating Merchants, Migrating Law. Trading Routes and the Development of Commercial Law.
    337 S. Leiden 2020: Brill. Online
    Unter anderem zur commenda, taxedion, einer Seeunternehmung) und zur compagnia, einer Landunternehmung, siehe auch
    • Pirenne, Henri Economic and Social History of Medieval Europe. New York [1956]: Harcourt Brace, S. 122–123
    • Lopez, Robert Sabatino
      The Birth of Europe.
      London 1967: Phoenix House, S. 141–142, 295–298.

Bezeichnungen in den Kolonien der Neuzeit

Händler verbanden Waldläufer, Indigene und Siedler im Bereich der Frontier.

  • Overlander (engl.) in Australien
  • Pombeiro (portug.)
    ursprünglich auf den Azoren für einen wandernden Kleinhändler, der beispielsweise Fisch, Tauben, Hühner und Truthähne verkauft, die er in zwei Körber an einer Tragstange über der Schulter trägt.
    Dann auch an der Küste von Santa Catarina, einem Bundesstaat Brasiliens, und im westafrikanischen Raum für einen Sklavenhändler.
    Schließlich als Titel für Adlige, die das besondere Vertrauen des Landesherren besitzen.
  • Promyšlenniki (russ.) in Sibirien
  • Smous, Smouse (Pl.), seit em 18. Jahrhundert Bezeichnung für jüdische Wanderhändler (auch afrikaans: Bondeldraers, Platvoete, Jooiens, Lappiesmouse, Bottelbekjode) im südlichen Afrika. Das Bondeldraermonument in Graaff-Reinet ist zu ihren Ehren errichtet worden. 6)
  • Voyageur (frz.) in Nordamerika

Bezeichnungen in Afrika und im arabischen Raum

  • Burton, Richard Francis
    The Lake Regions of Central Africa …
    2 Bde. London 1860: Longman. Online deutsch übersetzt online
    Burton beschreibt ausführlich drei verschiedene Arten ostafrikanischer Karawanen, die dabei tätigen Händler (fundi = westafr. Pombeiro, Mundewa, Mtadschiri), deren Träger (pagazi/fagazi = westafr. carregador) und Karawanenführer. Mundewa, pl. wandewa, bezeichnet nach Burton arabische Händler in Ostafrika, ist jedoch der Chief eines Clans, der Herrscher.
  • Richard Gray, David Birmingham (Hg.)
    Precolonial African Trade: essays on trade in Central and Eastern Africa before 1800.
    308 S., 16 Karten London, New York 1970: Oxford University Press.
  • Haour, Anne
    'Strangers, Traders', Outsiders and Strangers: An Archaeology of Liminality in West Africa.
    Oxford 2013. online edn, Oxford Academic, 16 Mar. 2015), DOI.
  • Manning, Patrick
    Slavery and African life: Occidental, Oriental and African Slave Trades.
    University of Wisconsin Press 1990. (=African studies series, 67) XI, 236 S. Cambridge 1998 /2006: Univ. Press, Cambridge.
  • Takao Ito
    Careers and Activities of mamlūk Traders: Preliminary Prosopographical Research.
    S. 229–246 in: Stephan Conermann, Toru Miura (Hg.): Studies on the History and Culture of the Mamluk Sultanate (1250–1517) Göttingen 2021: V&R Unipress DOI
  • Walz, Terence
    Notes on the Organization of the African Trade in Cairo, 1800-1850.
    Annales islamologiques 11 (1972) 263-286. DOI, Inhalt:
    • The physical structure
    • Yāsirjī vs. jallāb
      Mit einer diffenrenzierten Beschreibung der Bedeutungen von jallâb, yâsirjï / yâsirjï fir raqïq al-iswid, mutasabbib fis sin, mutasabbib fir -risk an-na'âm
    • The guild and its officers
    • Other members of the Ṭā'ifat al-Jallāba
    • Two biographical sketches : Ḥājj sulṭān and Ḥājj ‘abd al-Karīm

  • Farke, Mehrzahl fatake (Haussa)
    Die „scholar-trader“ (farke, falke) der Haussa verbanden Reisen, Handel und Wissenstransfer und erhielten daher die Beinamen mallam (< arab. mucallim `Lernender´) und calim (Mz. culama `Wissender´), 'alīm “(all)wissend„
    • Joseph McIntyre
      Mobility in the Hausa language.
      Canadian Journal of African Studies. Revue canadienne des études africaines, 48.1 (2014) 101-117, DOI: 10.1080/00083968.2014.922274
    • Mohammed, Abdullahi
      A Hausa scholar-trader and his library collection: the case study of Umar Falke of Kano, Nigeria.
      Teil 1: VIII, 302 S., Glossar 278-295, Bibliographie 296-302. Teil 2: Katalog. Ph. D. (Diss.) Eventon, Illinois, Northwestern University 1978
    • Lovejoy, Paul E.
      The Kambarin Beriberi: the formation of a specialized group of Hausa Kola traders in the nineteenth century.
      The Journal of African History 14.4 (1973) 633-651.)), in der Regel auch ein Fahrender Händler: farke (Plural fatake).
  • Fundi (Swahili)
    Agenten der Sklavenhändler oder auch kleine Händler im ostafrikanischen Raum
    • Ekemode, Gabriel U.
      Fundi: Trader and Akida in Kilimanjaro C. 1860-1898.
      Tanzania Notes and Records: The Journal of the Tanzania Society, 77/78 (1976) 95-101
  • Jallāb, ğallāba جلاب العبيد -gala جلاليب , gallabiya 7)
    Arabische Wanderhändler, insbesondere Sklavenhändler des nilotischen Handelsraumes, verbreitet bis in den Irak und zu den Haussa 8)
    • Zwischen 650 und 1600 nach Christus wurden schätzungsweise sechs Millionen Sklaven aus dem Inneren Afrikas in die islamische Welt gebracht, meist auf Transsahara-Routen mit einer Sterberate von 20% 9)
  • Karawanenführer sind oft auch Händler.
  • Tajir, Tâgir > Mtadschiri (Swahili) < arab. تَجَرَ‎ tajara 'handeln'
    arabische Händler am Indischen Ozean, etwa tajir al-mamalık 'Händler der Mameluken' → Safari
  • Nakhkhās
    Mittelalterliche Bezeichnung für Viehhändler und Sklavenhändler im islamischen Raum; Vieh und Sklaven wurden auf dem demselben Sūḳ angeboten.
  • Shasturi `chasser les tourists´,
    Fliegende Händler bei den Touareg im 20. Jahrhundert
  • Soḥer, Saher סֹחֵר (hebr.) < sachar `umherziehen´
    bezeichnet im Hebräischen auch den Fahrenden Händler 10). Die Literatur über jüdische Händler scheint nahezu ausschließlich auf hebräisch vorzuliegen 11)
    • Goitein, Shlomo Dov
      Letters of Medieval Jewish Traders.
      XVIII, 359 S. Princeton, NJ 1973: Princeton University Press.
      U.a.: Merchant-Banker, Scholar, and Communal Leader
    • Verlinden, Ch.
      Marchands chrétiens et juifs dans l’Etat mameluk au début du XVe siècle d’après un notaire vénitien.
      Bulletin de l’Institut historique belge de Rome, 51 (1981) 19-86.
1)
Bibelwissenschaft: Händler: 2.4.1. Das negative Image
2)
Magdeburg Signatur A 2, Nr. 433 Online
3)
Augsburg, 1577, [4] Bl.; 4; VD16 N 959 http://gateway-bayern.de/VD16+N+959
4)
„de keiser wart … worpen van den hoken mit brodes stucken“ um 1231 SächsWChr. 96. Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): Hoke
5)
DWDS: Etymologisches Wörterbuch Wolfgang Pfeifer
6)
Wictionary; The World of the South African Smouse – and some Kimberley connections. Compiled by Geraldine Auerbach MBE, 12 S. London, January 2020. Online
7)
Zu unterscheiden von djellaba, einem Kleidungsstück, s. Frederico Corriente : Dictionary of Arabic and Allied Loanwords: Spanish, Portugese, Catalan, Galician and kindred dialects. XCIII, 601 S. Leiden 2008: Brill, Stichwort aljaravia.
8)
Morony, Michael G. (Hg.): Manufacturing and Labour. XXXI, 346 S. Aldershot 2003: Ashgate
9)
Austen, Ralph: Africa in Economic History. Heinemann Books, Portsmouth 1987:36
10)
Gen 37,28; Ez 27,36; Ez 38,13; Spr 31,14; Jes 23,2.8 siehe Bibelwissenschaft: Händler, aus akkadisch saharu 'drehen, umrunden', übertragen auf Händler, Zauberer, Bettler.
Macintosh, A. A.
Psalm XCI 4 and the Root ‮סחר‬.
Vetus Testamentum, 23.1 (1973) 56–62. DOI.
Ann Jeffers
Magic and divination in ancient Palestine and Syria.
Leiden 1996: Brill, S. 117f.
11)
etwa: דן, ירון, and Y. Dan. “Two Jewish Merchants in the Seventh Century / שני סוחרים יהודים במאה השביעית.” Zion / ציון, vol. לו, no. א/ב, 1971, pp. 1–26. Online
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