Téchnē
Altgriechisch, vom Wanderphilosophen Protagoras
(um 485 bis um 415 vor Christus) geprägt als Konzept »richtig zu handeln«, indem Entscheidungen auf Erfahrung basieren und auf Sachlichkeit.
Aus heutiger Sicht bemühte sich Protagoras darum, ganz pragmatisch eine praktische Lebenskunst zu entwickeln. Téchnē sollte dem Menschen helfen, sich vernunftgesteuert zu entscheiden und ein Ziel zu erreichen. Als Lebenskunst praktizierte Protagoras sein Ideal 40 Jahre lang wandernd.
Als Technik lehrte er, erstens ein Ziel zu setzen, zweitens geeignete Mittel und Verfahren zu planen und drittens damit handelnd das Ziel zu erreichen. Im heutigen Alltag verengt sich die Vorstellung von »Technik« meist auf die sichtbaren Artefakte wie Werkzeuge oder Maschinen. Begriffe wie »Lerntechnik« führen jedoch auf die eigentlich breite Vorstellung von Technik als vernunftgesteuertes Handeln zurück, das den Menschen vom Tier unterscheidet.
Protagoras entwirft daher eine Naturgeschichte des Menschen vom Anfang her:
- Der Urzustand: Nachdem Tiere und Menschen erschaffen waren fiel
Prometheus
auf, dass der Mensch »nackt, unbeschuht, unbedeckt, unbewaffnet«, also schutzlos war. Also schenkte Prometheus ihm das Feuer als erstes Werkzeug, aus dem alle anderen »technischen« Mittel entstanden, denn Tiere nutzen das Feuer nicht. - Die Einzelnen: Die Vernunft (lógos) sieht Protagoras als wesentlich am Urzustand des Menschen, denn erst diese ermöglicht es handwerkliche Fertigkeiten gezielt einzusetzen, sich mittels Sprache sozial zu verbinden und den Glauben an etwas Götttliches zu entwickeln. Obwohl die Menschen nun sprechen lernten, Götter verehrten, Kleidung und Nahrung herstellten, blieben die Tiere stärker, weil jeder Mensch für sich alleine war und jeder gegen jeden kämpfte.
- Die Gemeinschaft:
Zeus
schickteHermes
zu den Menschen, damit diese lernten in der Gemeinschaft (polis) zu leben. Dazu benötigten sie Scham und Recht, aber auch die Strafe für jene, die sich Scham und Recht nicht zu eigen machten. Eine beständige Gemeinschaft von Menschen bedarf nach Protagoras der Gerechtigkeit »díkē« 1) und dem Respekt vor dem Anderen »aidós«. Wer Teil der Gemeinschaft sein möchte, muss dies durch Fleiß, Üben und Lernen beweisen. Wer dies nicht kann oder will, wird verbannt oder getötet.
Der Stab ist dabei das vielleicht älteste Handwerkzeug zum Überwinden der Natur, und als solches jahrtausendealt als Hirtenstab und Stütze der Reisenden, welches als Symbol zu allen Wurzeln der menschlichen Gemeinschaften zurückführt:
- als feuerspendender Blitz
- als Botenstab des Hermes (Caduceus)
- als Stab der Gerechtigkeit (Dikanikion) und als Instrument der Strafe
- als Medium der Kommunikation
- als Stab der Zugehörigkeit
- als Stab der Macht
Der Stab war bereits im Urzustand des Menschen zuhanden, denn nur damit kann das Feuer kontrolliert, genutzt und transportiert werden.
Der Stab des Nomaden wurde zum dritten Bein, der des Hirten machte den Menschen zum Hüter und Beschützer.
Der Stab des Seßhaften verbindet die Gemeinschaft, zeigt Zugehörigkeit, richtet und straft.
- Protagoras
in: Platons Werke, herausgegeben vonFriedrich E. D. Schleiermacher
, Teil 1 Band 1 , 3.Auflage, Berlin 1858, Abschnitte 321-322 André Leroi-Gourhan
Hand und Wort.
Die Evolution von Technik, Sprache und Kunst.
Übersetzt von Michael Bischoff. 532 S., 153 Abb., Suhrkamp Wissenschaft. Weißes Programm, Suhrkamp Verlag 1984.-
- Quifezit oder eine Reise im Geigenkoffer
- Ad absurdum oder eine Reise ins Buchlabyrinth
- Tabula rasa oder eine Reise ins reich des Irrsinns