"musz ein wandersmann fleiszig obacht geben auff die wegweisung, deren dann fürnemblich drey seyndt: erstlich ein groszer steinhauffen, oder die creutzstöck oder säulen, oder die höltzine händ, welche man gemeiniglich an den straszen findet. Albertinus Gusman v. Alfarche 639, in: Grimm DWB Bd. 27, Sp. 3157
Ursprünglich Wegeweiser im Sinne eines Führers, später abstrakt für ein richtunggebendes Zeichen am Weg (gr. Stadiasmos, lat. Stadiasmus, eine Steinsäule als Meilenweiser, Columnam Milliariam, altnord. leiðarvisir). In einer unbekannten Umgebung erleichtern Wegweiser die Wegfindung, ersetzen die Orientierung und schützen gegen das Verirren. Unterwegs im nicht vertrauten Zwischenraum bieten sich an:
Der Vorgang des Wegfindens wird von der Umweltpsychologie untersucht und differenziert etwa für Fussgänger oder emergency wayfinding. Karten und Kartographie helfen nur dem, der rational vorgehen kann, Kompass und Höhenmesser liefern dafür Anhaltspunkte. Mobile phones helfen nur, solange die Batterie arbeitet. Außerhalb der Funkzellen hilft nur noch ein Satellitentelefon.
Mit den heutigen All-Inclusive-Reisen hat unsere Kultur die bislang oberste Sprosse unselbständiger Reisen betreten. Wer so weit über der Welt angelangt ist, hat weder Boden unter den Füßen noch einen Blick fürs Detail. Langsam hinabsteigend finden wir die einfache Pauschalreise, die Studienreise, das Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln, schließlich das individuelle Reisen mit Reiseführer und Landkarte. Und dort, knapp über dem Boden, finden wir noch eine unscheinbare, unbeachtete Sprosse: den Wegzeiger am Straßenrand – die erste technisierte Form des geführten Reisens.
Martin Scharfe Wegzeiger Zur Kulturgeschichte des Verirrens und Wegfindens Marburg: Jonas 1998. 13x21 cm: 112 S., 65 Abb.
Das älteste Zeichen am Weg ist der Steinmann als Orientierungshilfe. Der Wegzeiger in seiner frühesten Gestalt mag nichts anderes als ein Pfeil gewesen sein, angebunden an einen Stamm, der allen Nachfolgenden kundtat: “Du bist richtig. Hier geht’s lang!” Noch im 18. Jahrhundert war der Wegweiser „Eine Säule mit Armen, welche auf die Wegscheiden gesetzt wird, und den Ort, wohin jeder Weg gehet, benennet; ehedem Leitsage.“ 1) und im 14. Jahrhunert „ fünfhundert schritte weit entfernt-gesetzte stangen, von welchen jegliche sein wegeweiser war.“ 2). 1689 lässt eine Anordnung erkennen, dass Wegweiser eher selten waren: „dasz … auf allen landstraszen, wo creutzwege in einander gehen, wegweiser gesetzet werden sollen“ 3). Erleichternd ist solche Bestätigung noch heute den einsamen und müden Wanderern in den Bergen – drunten im Tal haben Straßen die Funktion des Wegzeigers verinnerlicht.
Das vorliegende Büchlein aber verläßt schnell die technische Geschichte des Wegzeigers. Der Autor bewegt sich tastend (ohne Wegzeiger) in unerschlossene Gebiete: Die äußere Form des Richtungspfeils als Spiegel der kulturellen Entwicklung? Der Pfeil als Archetypus von C.G. Jung
?
Natürlich: Der Wegzeiger wird aufgestellt, weil ein allgemeines Bedürfnis besteht, sich zu orientieren. Orientierungslos laufen wir Gefahr uns zu verirren und zu verlieren – eine archaische Angst wird besiegt durch den Glauben an den einsamen Pfeil, durch Vertrauen an eine vorgegebene Richtung. Allerdings setzt das voraus, daß der Suchende mit jenen, die den Wegzeiger aufstellen, die gleichen Werte teilt: nämlich möglichst schnell und einfach zu einem Ziel zu kommen, Umwege zu vermeiden.
Martin Scharfe
hat zahlreiche Details und hübsche Illustrationen gesammelt, er erzählt eher kursiv als dozierend und verfällt dennoch manchmal in einen etwas akademischen Stil. Ein Buch, dem ich viele Leser wünsche.
Ballmer, Ariane
Ellard, Colin
Harley, J. B.
, David Woodward
Schmauks, Dagmar
Simonsen, K.
Zec, Peter