Führer und guides unterwegs
Dark Companions
Aus dem Zeitalter der Entdeckungsreisen ist wiederholt überliefert, wie Einheimische den ankommenden Europäern ein sehr exaktes geographisches Bild ihrer Welt beschrieben 2), siehe auch Natural Mapping.
Hernán Cortes
soll von einem Kaziken eine Karte auf einem Stück Calico (Baumwolle) erhalten haben, an der er sich orientierte und eintausend Meilen durch Zentralamerika reiste.
Kalliherey
, ein Eskimo, soll die Küste zwischen Smith Channel und Cape York gezeichnet haben, dabei nur wenig abweichend von der Karte der Admiralität.
James Cook
(1728–1779) ließ sich auf seiner ersten Südseereise (1768–1771) von
Tupaia
(1725-1770) führen, einem Einheimischen von den Gesellschaftsinseln, ein Arioi-Priester und Navigator. Seine Vorstellung der Welt der Südsee umfasste die Position von 130 Inseln, die er nach einem eigenen System aufzeichnete; es reichte 7.000 km von Rapa Nui im Osten nach Rotuma im Westen und mehr als 5.000 km von Hawai‘i im Norden nach Rapa Iti im Süden.
3)
Lars Eckstein
,
Anja Schwarz
The Making of Tupaia’s Map: A Story of the Extent and Mastery of Polynesian Navigation, Competing Systems of Wayfinding on James Cook’s Endeavour, and the Invention of an Ingenious Cartographic System.
The Journal of Pacific History 54.1 (2019) 1-95.
Online
dies.: The Making of Tupaia's Map Revisited.
The Journal of Pacific History 54.4 (2019)
Frank Vorpahl
Aufbruch im Licht der Sterne. Wie Tupaia, Maheine und Mai Captain Cook den Weg durch die Südsee erschlossen.
Berlin 2023: Galiani. 256 S.
Jones, Adam
;
Isabel Voigt
‘Just a First Sketchy Makeshift’.
German Travellers and Their Cartographic Encounters in Africa, 1850-1914.
History in Africa 39 (2012) 9–39.
Online.
Karttunen, Frances
Between worlds. Interpreters, guides, and survivors.
New Brunswick, N.J. 1994: Rutgers University Press.
Simpson, Donald
Dark Companions. The African Contribution to the European Exploration of East Africa.
London 1975: Elek.
The American Military Pocket Atlas, being an approved collection of correct maps … of the British Colonies; especially those which now are, on probably may be the theaters of war, etc.
London 1776: Sayer & Bennet.
Der »Holster Atlas« enthielt das geographische
Wissen für die berittenen britischen Offiziere in den Kolonien, wies aber auch auf das geheime Wissen der Indianer hin:
»an old Apalachean Tribe … keep the Avenue secret«,
online 4) - gemeint ist der Weg durch den Okefinokee Swamp.
Philip Levy
Fellow Travelers: Indians and Europeans Contesting the Early American Trail.
VI, 243 S. Diss. College of William and Mary 2001. XII, 199 S. University Press of Florida, Gainesville, 2007
Inhalt ,
Online
Diese Dissertation untersucht die persönlichen Beziehungen zwischen Indianern und Europäern auf den Expeditionen zwischen 1520 und 1800.
Die Funktionen der Führer
Die Aufgaben von Führern
Reisen, wenn sie denn keine Routine sind, also vor allem „erste Fahrten“, bedürfen kundiger Führer, die neben der Wegfindung meist weitere Aufgaben übernehmen als:
Aufpasser (engl. chaperone, attendant)
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-
Fährtensucher und Spurenleser (engl. tracker)
Führer (engl. guide)
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Leiter (engl. leader)
-
Organisator (Tagesetappen, Rastplätze,
Herbergen …)
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Übersetzer (engl. interpreter, translator) (lat. interpres)
Wächter (engl. guardian)
Weg
kundiger, also nicht unbedingt ein Ortskundiger
Wissender und Lehrer (engl. tutor, mentor)
Reisende müssen daher entscheiden, für welche Aufgaben ein Bedarf dringend und wichtig ist und wie diese organisatorisch und personell verteilt werden. All diesen Aufgaben liegt der Transfer von Wissen zugrunde, gesucht werden Kundige etwa für Reisen in der Natur, in der Wildnis oder für Reisen im kulturellen Umfeld, die also sowohl hier als auch dort zuhause sind, Grenzgänger im Zwischenraum.
Die Ambivalenz von Führern
Die Kernaufgabe des Führers - zu wissen, wo es lang geht - ist nicht zu trennen vom Sinn des Ziels: cui bono?
Der Führer kann auch ein Verführer sein,
-
der Kundschafter ein Spion,
der Anführer ein Aufrührer, „erfarer, außspeer vnnd kunndschaffter“
5),
der Führer der Gemeinschaft ist als Ältester (geront) überfordert von Neuem,
der Führer auf dem letzten
Weg ein Psychopompos.
Liste von Führern zu Lande
Im deutschsprachigen Raum
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Leitsage (frühneuhochdeutsch) > `Lotse´.
„daz sî zweͥne tage / irre der leitsage / vuͤrte úf der wilde breit“
6)
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Pfadfinder (engl. scout)
-
Reiseleiter
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Stadtführer
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-
In Europa
Bajolus (lat.)
In der römischen Antike
7)
Bastazo (altgr.) βαστάζω
In der griechischen Antike `Träger´ insbesondere im Sinne von Verantwortung tragen und Recht sprechen
8)
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Guide (span., port. guia)
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Peregrinorum duces (lat.) `die den Reisenden führen´
Praevius (lat.) `Vorschau´ > Vorbote, auch `Führer´
9)
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Viarum praemonstratores (lat.) `die den Weg vorher zeigen´
Saccagi (ital.) <
Yasakci (türk.)
Schweickard, Wolfgang
Zeitschrift für romanische Philologie, 130.2 (2014) 503-508.
DOI
Saccagi erscheinen im
17. Jahrhundert in Italien als Begleiter diplomatisch
Reisender aus Tunis mit schützenden und bewachenden Aufgaben. Der Name leitet sich nicht von sakka ‘
Wasserträger’ ab, sondern vom yasakci, vulgo Jassaktschi, eine Art Militärpolizei der Janitscharen im osmanischen Reich.
In Russland und Sibirien
Zwischen Westafrika und Zentralasien
-
Habīr Pl. hubarā kundig, unterrichtet, erfahren
Karawanenführer im Raum Tschad-Libyen-Sudan
Meerpohl, Meike
Kamele und Zucker. Transsahara-Handel zwischen Tschad und Libyen.
Diss. 402 S. Glossar, Bibliogr. S. 362-383. Köln 2009: Universitäts- und Stadtbibliothek Köln.
Online, darin S. 194-201: „Das Management des Transsahara-Handels. Die Kenntnisse und Vorkehrungen des habīr und der Hirten“ und zahlreiche weitere Stellen.
Jagaba
Führer einer Karawane im Sinne von wegkundiger Guide, also nicht der Leiter der Karawane wie Jaji oder Madugu.
Jaji (Haussa) und abokin jaji
Karawanenführer und dessen rechte Hand, Quellen siehe Madugu.
Karwan-Baschi (pers.-türk.)
Karawanenführer
al-
Khabir (arab.) `der alles bewacht´
Karawanenführer, auch ein Beiname Allahs الخبير
12).
Khoji (Punjab) Spurensucher
engl. tracker, paggi, peri, arab. muhaqqiq, sanskrit shodh-karta, Turfan Huojisi, Huò jísī, 霍集斯
13)
-
Sherpa (Nepal)
Som ambakka, Führer einer
Karawane (ambakka) in Angola
Touts
Okpara E. E.
The Rôle of Touts in Passenger Transport in Nigeria.
The Journal of Modern African Studies. 26.2 (1988) 327-335.
DOI
Touts sind Vermittler, die Reisenden an Bahnhöfen, Flughäfen, Fährhäfen usw. eine Fahrmöglichkeit organisieren und dabei eine Provision vom Fahrer erhalten.
Guide und Führer
Während also der Begriff guide die Voraussetzungen zum Führen (mittels Seil) und zur Orientierung (mittels Wissen) enthält, findet sich im forari zudem das Führen der Waffe. Das Spanische gibt zudem an, woran sich der Führer orientiert: guía lo que orienta bedeutet zu wissen, wo Osten ist.
In abstrahierter und codierter Form erstarrt dieser Wissenstransfer in Zeichen wie etwa einem Steinman, einem Wegzeiger, Wegweiser, Itinerar oder einer Karte zur Wegfindung.
Das Wortfeld um Führer
Römische Itinerare sind ebenso gut erforscht wie die mittelalterliche Kartographie - aber das Thema der Führer als Reisebegleiter scheint noch auf jemanden zu warten, der es bearbeitet. Grimms Wörterbuch nennt folgende Belegstellen:
1352
von dem landt er im pat/ zu geben hundert fuerrer/ den der weg chundig wer/ und dy sprachen allesam.
Seifrit Alexander 5281 DTM.
1444
ich .. nam auß den vierhundert vnd fünffczig fuͤrern die vns so leÿdigen weg gefuͤrt haͤtten eÿn hundert vnd vierczig, vnd ließ sy auch in das wasser werffen
Hartlieb Allexander (1478)117a.
sie spricht zum wirth: schnell einen führer bringe, der mehr, als ich, bekannt ist mit dem pfad.
Ariost 4, 8
1566
aber da man hineinkam (in den wald), do warden die fierer irr
zimmer. chr. 24,272 B.
1645
die schäfere .. folgeten .. ihren füreren zu der seiten der hölen oberhalb Birken
pegnitz-schäferey 48.
1691
also bestieg Rebecca ihr zur reise bestimmtes camel, und folgete .. ihrem führer dem Eleazar
Ziegler u. K. helden-liebe 66.
1712
weil nun unser führer als ein pferd lieff, sattelten wir ihn mit einem schwehren pack unserer kleider und bettzeugs
VischerLawson, Carolina 47.
Das Mittelhochdeutsche Wörterbuch 18) führt:
gesint < ahd. gasint, Weggenosse, Begleiter, Diener: wîb unte chint joch anderen gesint Genes. fundgr. 70,38
leitesman, als Führer und
Wegweiser, z.B.:
„rehte alsô lûte di in eime vremden lande sint und verlisen iren leitesman myst. 51,8.“
der meistir gap in einen leitisman, der si vûrin solde dan Jerosch. Pf. 121c.
wîse < ahd. wîso, Führer: gelücke was der wîse sîn Lanz. 412.
wisel Führer: sîn sterne unser wîsel wart Mar. 204.
wiselôse ohne Führer: wîselôse gân Griesh. pred. 2,61.
wîsære Führer und Lehrer: du bist der wec, du bist der wîsær myst. 342,40.
zoge < ahd. zoho, zogo, Führer und Leiter
Das Althochdeutsche Wörterbuch 19) unterscheidet
foraleiso (lat. praevius) als Wegführer und Führer einer Gruppe
fuorâri als Führer und Lastträger (lat. tracari forari gerulus baiulus)
leitid, Anführer und Begleiter
leitidon, Führer und Begleiter, Geleit
Literatur
siehe auch:
→ Listen von Figuren
→ Zeitleiste beispielhafter Figuren
Classen, Albrecht
Tracing the trails in the medieval world.
Epistemological explorations, orientation, and mapping in medieval literature.
VIII, 324 S. New York London Routledge, Taylor and Francis Group [2021]. Inhalt u.a.:
-
Trailing through a Medieval Depiction of the Entire Earth Literary
-
Bergführer
Renaud de Bellefon
Histoire des Guides de Montagne: Alpes et Pyrénées, 1760-1980.
551 S. XVI Tafeln. Pau: Cairn; Toulouse: Milan, 2003
Kurt Pflügl
1906 bis 2006. 100 Jahre Heeresbergführer.
Wien Bundesministerium für Landesverteidigung, Führungsgebiet 5. 2006
Afrika
Boilley P.
Sahara et Sahariens. Les Touaregs dans le regard des guides de voyage.
in: Chabaud G. (ed.), Les guides imprimés du XVIe au XXe siècle. Villes, paysages, voyages, Paris 2000: Belin, pp. 619–641.
Goody, Jack
, T. M. Mustapha
The caravan trade from Kano to Salaga.
Journal of the Historical Society of Nigeria 3.4 (1967) 611-616.
Rukavina, Kathaleen Stevens
Jungle Pathfinder: the Biography of Chirupula Stephenson.
London 1951.
John Edward „Chiripula“ Stephenson (1873/76–1957)