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wiki:kuenstlerreisen

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Künstlerreisen

Der Topos der Künstlerreise (engl. itinerant artist, frz. artiste itinérant, ital. artista itinerante) ist im Alltag vertraut und weckt ein Vorverständnis, das zwar nicht erklärt werden muss, jedoch vielfältig interpretierbar ist und zudem vor dem 19. Jahrhundert nicht als eigene Reiseform nachweisbar ist. Als Protagonist wird meist Albrecht Dürer (1471 - 1521) herangezogen. Das romantische Stereotyp begründeten:

  • Ludwig Tieck
    Franz Sternbalds Wanderungen
    1798 (Handlungszeit ab 1520)
  • Wackenroder, Wilhelm Heinrich
    Ehrengedächtniß unsers ehrwürdigen Ahnherrn Albrecht Dürers
    von einem kunstliebenden Klosterbruder

    Ein Aufsatz aus dem Journal Deutschland VII. Stück. pag. 59-73; nebst einer vorausgeschickten kurzen Erzehlung der wichtigsten Umstände, aus den Leben dieses vaterländischen Künstlers. Nürnberg 1797: [s.n.]
Das Reisen, sagte Faber, ist dem Leben vergleichbar. Das Leben der meisten ist eine
immerwährende Geschäftsreise vom Buttermarkt zum Käsemarkt; das Leben der Poetischen
dagegen ein freies, unendliches Reisen nach dem Himmelreich. 
Leontin, dessen Widerspruchsgeist Faber jederzeit unwiderstehlich anregte, 
sagte darauf: Diese reisenden Poetischen sind wieder den Paradiesvögeln zu vergleichen, 
von denen man fälschlich glaubt, daß sie keine Füße haben. Sie müssen doch auch 
herunter und in Wirtshäusern einkehren und Vettern und Basen besuchen, und, 
was sie sich auch für Zeug einbilden, das Fräulein auf dem lichten Schlosse 
ist doch nur ein dummes, höchstens verliebtes Ding, das die Liebe mit ihrem bißchen 
brennbaren Stoffe eine Weile in die Lüfte treibt, um dann desto jämmerlicher, 
wie ein ausgeblasener Dudelsack, wieder zur Erde zu fallen; auf der alten, schönen, 
trotzigen Burg findet sich auch am Ende nur noch ein kahler Landkavalier usw. 
Alles ist Einbildung.

Joseph von Eichendorff (1788 - 1857), Ahnung und Gegenwart (1815), Kapitel 5

»Künstlerreise« findet sich zuerst als spöttische Metapher für Handwerker, die reisend ihre Künste anbieten müssen, um Arbeit zu finden 1) und dort mit Verweis auf Campe: »der zerprügelt, hungrig, lahm/ von seiner Künstlerreise kam«. Der wider den Stachel löckende Außenseiterkünstler auf der Suche nach dem Abenteuer ist ein Mythos. Der Künstler auf der Gesellenwanderung von Meister zu Meister kommt der Wirklichkeit näher, er ist vielmehr ein Handwerkerkünstler. So aber ist das Reisen eine beschwerliche Wanderung durch die Unbilden der Natur und wurde erst im 19. Jahrhundert zum genußreichen Reisen hin zur Natur verklärt.

»Das Reisen«, sagte er zu sich selber, »ist ein herrlicher Zustand, diese Freiheit
 der Natur, diese Regsamkeit aller Kreaturen, der reine weite Himmel und 
 der Menschengeist, der alles dies zusammenfassen und in einen Gedanken 
 zusammenstellen kann: – o glücklich ist der, der bald die enge Heimat verläßt, 
 um wie der Vogel seinen Fittich zu prüfen und sich auf unbekannten, schöneren 
 Zweigen zu schaukeln. Welche Welten entwickeln sich im Gemüte, wenn die 
 freie Natur umher mit kühner Sprache in uns hineinredet, wenn jeder ihrer Töne
 unser Herz trifft und alle Empfindungen zugleich anrührt. 
 Ja, ich glaube, daß ich einst ein guter Maler sein werde, da mein ganzer Sinn 
 sich so der Kunst zuwendet, da ich keinen andern Wunsch habe, da ich gern 
 alles übrige in dieser Welt aufgeben mag.
 
 Ludwig Tieck (1773 - 1853) Franz Sternbalds Wanderungen, 3. Kapitel

Ein sehr differenzierte Betrachtung des Themas breitet Claudia Caesar aus und betont, dass sich noch niemand in der Breite mit diesem Thema beschäftigt habe, wenngleich die Arbeiten zu Detailaspekten Legion seien:

  • Caesar, Claudia C.
    Der „Wanderkünstler“: ein kunsthistorischer Mythos.
    Diss. Universität Kassel, 2006. Berlin 2012: LIT Verlag. 522 S. Inhalt:
    • „Wanderkünstler“ : der Begriff
    • Der „Wanderkünstler“ der Kunsthistoriker
    • „Wanderkünstler“ : Fallstudien
    • „Wanderkünstler“ heute
    • Index wandernder Künstler

Verweise

Literatur

  • Bianchi, Paolo
    Atlas der Künstlerreisen
    Ruppichteroth: Verlag Kunstforum. 491 S. Kunstforum international, Bd. 137 (1997) Juni/August
  • Castelnuovo, Enrico
    „L' artista itinerante è l'equivalente dell'esperimento di laboratorio (P. Frankl)
    qualche considerazione in margine ai viaggi degli artisti“.
    Vie Del Medioevo / Centro Studi Medievali, Università Degli Studi Di Parma … 2000. A Cura Di Arturo Carlo Quintavalle. 319-322.
  • Kurmann, Peter
    Mobilité des artistes ou mobilité des modèles?
    à propos de l'atelier des sculpteurs rémois au XIIIe siècle.
    Revue De L'art / Ministère De L'Education Nationale, De La Recherche Et De La Technologie ; Centre National De La Recherche Scientifique. 1998 Publ. Sous L'égide Du Comité Français D'Histoire De L'Art, Avec Le Concours Du Ministère De La Culture. 23-34.
  • Marx, Petra
    Orient Teil 1: Fremdes und 'Gelobtes' Land
    Pilgerfahrten und frühe Künstlerreisen in den Orient. Orte der Sehnsucht
    LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Westfälisches Landesmuseum. Hrsg. Von Hermann Arnhold. Mit Beitr. von Andreas Beyer, Gerd Dethlefs. 2008, 192-197.
  • Plagemann, Volker
    Tod in Bologna: Hans Cranachs Reise 1537
    Zur Frühgeschichte der Künstlerreisen nach Italien.
    Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte / Hrsg. Von F. Stuttmann [U.a.]. 2002, 37-155.
  • Pechlaner, Harald, Elisa Innerhofer
    Künstler unterwegs. Wege und Grenzen des Reisens.
    186 S. Baden-Baden 2018: Nomos.
  • Raby, Julian
    Venice, Dürer and the Oriental mode.
    103 S. London 1982: Islamic Art
  • Schmid, Wolfgang
    Kunst und Migration. Wanderungen Kölner Maler im 15. und 16. Jahrhundert. S. 315-350 in: Jaritz, Gerhard/ Müller, Albert (Hg.): Migration in der Feudalgesellschaft [= Studien zur historischen Sozialwissenschaft, 8] Frankfurt a.M./ New York 1988: Campus.
  • Seybold, Dietrich.
    Leonardo da Vinci im Orient
    Geschichte eines europäischen Mythos.
    368 S.Köln 2011: Böhlau Verlag.
    Ein Überblick über Diskussionen der These (seit 1881), Leonardo sei in den Orient gereist.
  • Tacke, Andreas et al. (Hg.)
    Künstlerreisen. Fallbeispiele vom Mittelalter bis zur Gegenwart
    (Kunsthistorisches Forum Irsee, 7) Konferenzschrift 12.04.2019-14.04.2019 Irsee 243 S. Petersberg 2020: Michael Imhof . Inhalt
  • Trauth, Nina
    Mit den Augen der Maler betrachtet
    Künstlerreisen in den Orient von Gentile Bellini [um 1429 - 1507] bis zum Ägypten-Feldzug Napoleons. Auf der Suche nach dem Orient. Paul Klee: Teppich der Erinnerung / Katalog, Hrsg.: Zentrum Paul Klee, Bern 2009. Red.: Michael Baumgartner, Carole Haensler Und Marianne Keller. 40-67.
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